Warum BPMN eine sinnvolle Ergänzung bei integrierten Managementsystemen ist, ergibt sich aus der übergreifenden Anwendbarkeit. Wer Managementsysteme nicht nur über verschiedene Funktionsbereiche integrieren will, sondern auch deskriptive Ansätze mit Ausführungsvorschriften kombinieren will, kommt an der BPMN kaum vorbei.
Viele Organisationen betreiben intern sogenannte Managementsysteme. So fordert beispielsweise die ISO 9000 die Einrichtung eines Qualitäts-Managementsystems, um die fortlaufende Verbesserung der Qualität zu steuern. Aber es existieren auch andere Managementsysteme z.B. zur Verbesserung der Informationssicherheit, der Arbeitssicherheit etc.
Was ist ein Managementsystem?
Ein Managementsystem ist ein strukturierter Ansatz mit Methoden und Systemen, um Organisationen dabei unterstützen, ihre Ziele zu definieren, zu planen, umzusetzen, zu überwachen und kontinuierlich zu verbessern. Sie dienen als Rahmenwerk, um verschiedene Aspekte des Managements zu organisieren und zu lenken.
Welche Managementsysteme gibt es?
Managementsysteme sind in der Regel auf spezifische Bereiche oder Funktionen einer Organisation ausgerichtet. Hier sind einige Beispiele für gängige Managementsysteme:
- Qualitätsmanagementsystem (QMS): Ein QMS legt die Grundsätze, Verfahren und Methoden fest, um die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen einer Organisation zu gewährleisten und kontinuierlich zu verbessern. Die ISO 9001 ist die bekannte Zertifizierungsgrundlage für ein Qualitätsmanagementsystem, ebenso sowie branchenspezifische Standards wie ISO 13485 (für Medizinprodukte) oder IATF 16949 (für die Automobilindustrie).
- Umweltmanagementsysteme (UMS): Ein UMS hilft einer Organisation dabei, ihre Umweltauswirkungen zu identifizieren, zu bewerten und zu kontrollieren. Es unterstützt bei der Einhaltung von Umweltgesetzen und -vorschriften sowie bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen. Die ISO 14001 ist die bekannteste Zertifizierungsgrundlage für ein UMS.
- Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS): Ein AMS konzentriert sich auf die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Es unterstützt Organisationen bei der Identifizierung und Kontrolle von Arbeitsrisiken, der Förderung einer sicheren Arbeitsumgebung und der Erfüllung der Arbeitsschutzvorschriften. Die ISO 45001 ist die Zertifizierungsgrundlage für ein anerkanntes AMS.
- Informationssicherheitsmanagementsysteme (ISMS): Ein ISMS definiert Richtlinien, Prozesse und Kontrollen zur Sicherung von Informationen und zum Schutz vor Cyberbedrohungen. Die ISO 27001 ist die Zertifizierungsgrundlage für ein international anerkanntes ISMS.
Es gibt noch viele weitere spezialisierte Managementsysteme zu Themen wie Risikomanagement, Compliance Management, Energiemanagement. Die Wahl des geeigneten Managementsystems hängt von den Zielen, Aktivitäten und Anforderungen der Organisation ab.
Allen Managementsystemen ist gemein, dass sie auf die Etablierung von standardisierten Prozessen zur Ressourcensteuerung, zur Leistungserbringung, aber auch zur Durchführung von Vorbeuge- und Korrekturmaßnahmen fokussieren.
Was ist ein integriertes Managementsystem (IMS)?
Beim parallelen Betrieb mehrerer Managementsysteme, streben viele Organisationen danach, Synergien zu nutzen. An zahlreichen Stellen findet man tatsächlich redundante Anforderungen an die Managementsysteme.
Ein Integriertes Managementsystem (IMS) ist somit die Vereinigung mehrerer Managementsysteme in ein umfassendes und strukturiertes Rahmenwerk für die Gesamtorganisation. Es ermöglicht die harmonisierte Koordination, Steuerung und Überwachung von Aktivitäten, Prozessen und Verfahren in verschiedenen Bereichen.
Zu diesem Zweck sind die verschiedenen Managementsysteme einer Organisation in ein integriertes System zu überführen. Dies beinhaltet die Harmonisierung von Dokumenten, Prozessen, Verfahren, Richtlinien, Zielen, Schulungen, Audits u.v.m.
Welche Vorteile bietet ein Integriertes Managementsystem?
Ein IMS erleichtert die Implementierung und Aufrechterhaltung der verschiedenen Managementsysteme und erhöht ihre Effektivität. Durch die Integration von Prozessen und Verfahren können Synergien genutzt, Redundanzen vermieden und die Nutzung von Ressourcen optimiert werden. Dies führt zu Kosteneinsparungen, einer effizienteren Nutzung von Ressourcen sowie einer verbesserten Kundenzufriedenheit.
Ferner ermöglicht ein IMS eine ganzheitliche Betrachtung der Organisation. Es fördert die Ausrichtung der verschiedenen Managementsysteme auf gemeinsame Ziele und Strategien. Dadurch wird eine umfassende Steuerung und Bewertung der Organisation ermöglicht.
Auch trägt ein IMS zur Verbesserung des Risikomanagements bei. Durch die Integration verschiedener Ansätze können Risiken in verschiedenen Bereichen umfassend identifiziert, bewertet und gesteuert werden. Dies unterstützt die Entwicklung von präventiven Maßnahmen und die Steigerung der Resilienz der Organisation.
Was ist ein Prozessorientiertes Managementsystem?
Alle Managementsysteme fokussieren auf die Etablierung wirksamer Prozesse zur Ressourcensteuerung, zur Leistungserbringung, aber auch zur Durchführung von Vorbeuge- und Korrekturmaßnahmen. Ein prozessorientiertes Managementsystem ist daher ein übergreifender Ansatz zur Steuerung und Optimierung dieser Prozesse.
Es basiert auf der Idee, dass die Wertschöpfung einer Organisation auf Prozessen beruht. Anstatt einzelne Abteilungen oder Funktionen isoliert zu betrachten, werden die Prozesse als Ganzes betrachtet und auf ihre Effizienz, Qualität und Kundenorientierung hin optimiert.
Aufgrund des prozessorientierten Ansatzes kann ein prozessorientiertes Managementsystem mehrere Managementsysteme integrieren, da systemspezifische Anforderungen in den entsprechenden Prozessen umgesetzt werden können
Was ist BPMN?
BPMN (Business Process Model and Notation) ist eine grafische Notation, die es ermöglicht, Geschäftsprozesse in einer einheitlichen und verständlichen Form darzustellen. Sie wurde von der Object Management Group (OMG) entwickelt und ist seit 2004 als Standard festgelegt und später als ISO19510 veröffentlicht. BPMN ermöglicht es, Prozesse in einer Vielzahl von Branchen und Abteilungen zu modellieren, von Finanzdienstleistungen über Produktion und Logistik bis hin zu IT-Prozessen.
Ein wichtiger Vorteil von BPMN ist, dass es eine gemeinsame Sprache für Geschäftsprozessmodellierung schafft. Es ermöglicht verschiedenen Rollen, wie Geschäftsprozessanalytikern, Projektmanagern und IT-Spezialisten, Prozesse auf die gleiche Weise darzustellen und zu verstehen.
BPMN umfasst eine Reihe von Symbolen, die verwendet werden, um die verschiedenen Elemente eines Prozesses darzustellen, wie z.B. Aktivitäten, Verzweigungen und Ereignisse. Diese Symbole ermöglichen es, Prozesse in einer visuell ansprechenden und leicht verständlichen Form darzustellen.
Eine weitere Eigenschaft von BPMN ist die Möglichkeit, Prozesse automatisiert auszuführen. BPMN-Modelle können in BPM-Systemen implementiert werden, die es ermöglichen, Prozesse automatisch auszuführen und zu überwachen. Dies ermöglicht es Organisationen, Prozesse automatisiert und somit schneller, präziser und kosteneffizienter auszuführen.
Insgesamt ermöglicht BPMN ein besseres Verstehen, Analysieren und Optimieren von Geschäftsprozessen. Es schafft eine gemeinsame Sprache für die Modellierung von Prozessen und erleichtert die Automatisierung und Überwachung.
In welchen Bereichen wird BPMN bereits genutzt?
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass BPMN bereits in dem einen oder anderen Bereich der Organisation eingesetzt wird. Da der Standard bereits seit 2004 in der heutigen Version vorliegt, haben viele Bereiche erste Gehversuche unternommen und den Standard erfolgreich eingeführt. Hier sind einige Bereiche, in denen BPMN heutzutage vielleicht schon genutzt wird:
- Prozessmanagement und -optimierung: Verwendung, um bestehende Geschäftsprozesse zu dokumentieren, zu analysieren und zu verbessern.
- Unternehmensanalyse: Verwendung, um Geschäftsprozesse hinsichtlich Engpässe, Risiken und Chancen zu bewerten hinsichtlich betrieblicher Änderungen und Neugestaltungen.
- IT-Management: Verwendung zur Definition von Service-Prozessen oder im Anforderungsmanagement, um als Grundlage für die IT-Systementwicklung zu dienen.
- Qualitätsmanagement: Verwendung zur Dokumentation von Qualitätsstandards, -verfahren und Kontrollpunkte.
- Organisationsentwicklung: Verwendung zur Identifizierung von Abteilungen, Rollen, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen, um die Effizienz und Zusammenarbeit innerhalb der Organisation zu verbessern.
- Compliance und Risikomanagement: Verwendung zur Dokumentation von Prozessen, Kontrollpunkten und regulatorischer Anforderungen.
- Kundenerfahrungsmanagement: Verwendung, um Kundeninteraktionen und -erlebnisse zu modellieren, um die Kundenzufriedenheit und -loyalität zu steigern.
- Supply Chain Management: Verwendung, um Material- und Informationsflüsse in Lieferkettenprozesse zu modellieren und zu optimieren.
- Change Management: Verwendung, um Veränderungsprozesse zu modellieren und zu steuern. Es unterstützt die Kommunikation, Schulung und Implementierung von Veränderungen.
Es ist wichtig anzumerken, dass BPMN eine Standardnotation (www.bpmn.org) ist, die in verschiedenen Anwendungsbereichen unterschiedlich angewendet werden kann. Die konkrete Nutzung und Anpassung von BPMN hängt von den spezifischen Anforderungen, Zielen und Prozessen einer Organisation ab.
In jedem Fall lässt sich festhalten, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass BPMN an der einen oder anderen Stelle in der Organisation bereits eingesetzt wird. Die BPMN bietet hier also entsprechende Synergiepotentiale.
Wie können Managementsysteme und BPMN integriert werden?
Die Integration von Managementsystemen und der Business Process Model and Notation (BPMN) kann auf verschiedene Weisen erfolgen, um eine effiziente Steuerung und Verbesserung von Geschäftsprozessen zu ermöglichen. Hier sind einige Ansätze, wie Managementsysteme und BPMN integriert werden können:
- Gemeinsame Prozessdokumentation: BPMN bietet eine agnostische und standardisierte Notation zur Modellierung von Geschäftsprozessen. Diese Modelle können als gemeinsame Grundlage für die Dokumentation und Visualisierung von Prozessen in allen Managementsystemen verwendet werden. Die Prozessbeschreibungen und -abläufe in den Managementsystemen können direkt auf die BPMN-Diagramme verweisen, um eine einheitliche Sicht auf die Prozesse zu gewährleisten.
- Kontinuierliche Prozessverbesserung: BPMN ermöglicht die Modellierung von Prozessen auf verschiedenen Detailebenen, angefangen von strategischen Übersichten bis hin zu detaillierten Aktivitätsdefinitionen. Gemeinsame Audits und die Darstellung von gemeinsamen Leistungskennzahlen können als Grundlage für die Identifizierung von Verbesserungspotenzialen dienen und die Umsetzung von Änderungen in den Managementsystemen unterstützen.
- Risikomanagement: Managementsysteme wie beispielsweise ISO 9001 (Qualitätsmanagement) oder ISO 14001 (Umweltmanagement) erfordern oft die Identifizierung und Bewertung von Risiken. BPMN-Diagramme können genutzt werden, um potenzielle Risiken in Geschäftsprozessen zu identifizieren und zu bewerten. Die Ergebnisse können dann in das Risikomanagementsystem integriert werden, um geeignete Maßnahmen zur Risikominderung oder -kontrolle zu ergreifen.
- Automatisierung von Prozessen: BPMN-Diagramme können als Ausgangspunkt für die Automatisierung von Geschäftsprozessen dienen. Mit Hilfe von Business Process Management (BPM)-Software können die in BPMN modellierten Prozesse in ausführbaren Code oder Workflow-Engines überführt werden. Managementsysteme können mit diesen automatisierten Prozessen integriert werden, um beispielsweise Daten auszutauschen, Aufgaben zu verwalten oder Prozessergebnisse zu überwachen.
Die Integration von Managementsystemen und BPMN erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen für die Managementsysteme und den Prozessverantwortlichen. Es ist wichtig, klare Schnittstellen und Prozessbeschreibungen zu definieren, um sicherzustellen, dass beide Systeme effektiv zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Eine gemeinsame Sprache zur Modellierung von Prozessen, wie die BPMN, erleichtert diese Zusammenarbeit. Die Nutzung unterschiedlicher Darstellungsarten in der Organisation, wie z.B. EPK, Flussdiagramme, Turtle-Diagramme, SIPOCs o.a. ist hinderlich und erschwert das gemeinsame Verständnis.
BPMN 2.0 als Ausführungsvorschrift
Die von Managementsystemen geforderte Prozessdokumentation beschreiben lediglich, wie die Prozessausführung geplant ist. Ob diese in der Praxis tatsächlich so ausgeführt werden, bestätigen ggf. die Auditoren und Revisoren. Dadurch, dass die BPMN jedoch nicht nur visuelle Beschreibung ist, sondern ebenfalls die Möglichkeit der Ausführung integriert, kann sie in zahlreichen Fällen auch als Ausführungsvorschrift genutzt werden, die eine Prozessausführung lenkt und Abweichungen in Teilen unmöglich macht. Auf diese Weise ist die BPMN dann nicht mehr eine Soll-Prozessvorgabe, sondern viele mehr eine Ist-Dokumentation der Prozessausführung.
Fazit
Die Einführung eines IMS erfordert eine sorgfältige Planung, Schulung und Kommunikation. Es sollten klare Verantwortlichkeiten festgelegt werden, um sicherzustellen, dass alle relevanten Bereiche des Unternehmens einbezogen werden und dass das IMS effektiv implementiert und prozessorientiert aufrechterhalten wird. Für alle prozessrelevanten Fragen im Zusammenhang mit Managementsystemen eignet sich die BPMN hervorragend aufgrund ihrer übergreifenden Anwendbarkeit. Sie unterstützt es, dass Managementsysteme nicht nur institutionell integriert werden, sondern agiert als Kommunikationsmittel aller Anforderungen, die mit den Prozessen der Managementsysteme einhergehen. Dabei bleibt sie nicht nur visuell, also deskriptiv. Die BPMN kann hier auch als Ausführungsvorschrift agieren und die Auditierungen, Revisionen sowie den kontinuierlichen Verbesserungsprozess vereinfachen und beschleunigen.