Prozessmanagement-Initiativen scheitern regelmäßig an den gleichen Ursachen. Gemeinhin sind die Ursachen auch bekannt, aber es fehlen anwendungsorientierte Empfehlungen, die auch in der Praxis umzusetzen sind. In diesem Beitrag gehen wir daher auch die Fehlerquellen beim Aufbau und Betrieb eines Prozessmanagements ein, die uns im Berateralltag immer wieder begegnen.
Dies sind:
- Schlechte Verankerung des Prozessmanagements
- Unzureichende Zuweisung von Verantwortlichkeiten
- Unklare Zielsetzungen
- Falsche Priorisierung
- Fehlende Management Attention
- Schlechte Vorbereitung
- Linienmanager werden als Prozessmanager eingesetzt
- Zu viel Tiefe, zu wenig Breite
- Zu viel Breite, zu wenig Tiefe
- Die Sache mit den Nerds
„Unser Leiter Finanzen, Christian Müller, wird sich im Rahmen eines Projektes mit den Prozessen im Unternehmen beschäftigen und so für die nötigen Verbesserungen sorgen, damit wir weiterhin wirtschaftlich erfolgreich am Markt agieren können. Er ist ein kompetenter Mann, er wird sich ein gutes Vorgehen überlegen.“ Eine solche oder ähnliche Aussage lässt den qualifizierten Prozessberater aufschrecken. Basierend auf dieser Aussage kann man ein falsches Prozessverständnis unterstellen und erkennbar sind bereits zahlreiche Fallstricke, warum die Bemühungen nicht zu einem Erfolg führen werden. Im Einzelnen wollen wir diese nun identifizieren.
Verankerung
„im Rahmen eines Projektes“ lassen sich Prozessverbesserungen kurzfristig zwar erzielen, aber ein nachhaltiges Prozessmanagement wird auf diese Weise nicht funktionieren. Eine Analogie: Während ein Projekt eher einen Sprint darstellt, in dem man in einem definierten Zeit- und Kostenrahmen ein festgelegtes Ziel zu erreichen hat, stellt Prozessmanagement eher einen Marathon oder besser einen nicht enden wollenden Rundlauf dar. Prozessmanagement hat kein Ende, daher bedarf es auch anderer Methoden als die des Projektmanagements. Die regelmäßige Überprüfung aller Unternehmensaktivitäten durch interne und externe Audits gehören ebenso dazu, wie das Scouting erfolgsversprechender Methoden und Technologien für Prozessverbesserungen, die regelmäßige Anpassung an neue Unternehmensziele sowie die Wirksamkeitsüberprüfung bisheriger Maßnahmen. Prozessmanagement hat kein Ende, Prozessmanagement ist ein nicht enden wollender Weg zur Verbesserung der Unternehmensleistung. Verankern Sie Prozessmanagement daher als langfristige Funktion in ihrem Unternehmen!
Verantwortlichkeiten
„Unser Leiter Finanzen…“ wird mit ziemlicher Sicherheit nicht erfolgreich sein, wenn er neben seinem regulären Job in der Linienorganisation nachhaltig eine Prozessinitiative begleiten soll. Es sollte daher vielmehr eine Verantwortlichkeit geschaffen werden, die auf Dauer das Prozessmanagement abteilungsübergreifend vorantreibt. Hier sollte nicht nur kurzfristig gedacht, der IST-Prozess aufgenommen und optimiert werden, sondern es geht vielmehr darum, die Prozessorganisation an die strategischen Erfordernisse des Geschäftsmodells anzupassen, das Methodenarsenal im Bereich der Analyse und des Prozessdesigns für das Unternehmen weiterzuentwickeln, regelmäßig die Prozessleistung zu überwachen, Ausreißer zu identifizieren, Maßnahmen zu entwickeln und priorisiert umzusetzen. Dabei sind sowohl fachlich-organisatorische Fragestellungen zu bearbeiten, als auch technische. Je nach Branche können hier maschinenbezogene Themen oder IT-Themen auf der Agenda stehen, die im besten Fall im Sinne des Unternehmens mit organisatorischen Themen im Sinne der Unternehmensstrategie abgeglichen sind. Diese hier aufgeführten Aufgaben sind unvollständig, verdeutlichen aber schon, dass ein Prozessmanagement nebenher nicht funktioniert, sondern entsprechende Ressourcen benötigt.
Zusätzlich sei noch angemerkt, dass eine Verantwortlichkeit (Stelle oder Abteilung), die nun nominell für das Thema Prozessmanagement zuständig ist, alleine kaum Wirkung entfalten kann. Die zweite Silbe des Wortes Prozessmanagement macht vielmehr deutlich, dass es sich um ein Managementthema handelt, vor dem keine Führungskraft im Unternehmen drücken kann. Sowie Personalmanagement nicht ausschließlich Thema der Personalabteilung sein kann, kann Prozessmanagement nicht ausschließlich Thema einer wie auch immer benannten Prozess-Abteilung sein. Es müssen daher alle Führungskräfte und Schlüsselpersonen der Organisation in das Prozessmanagement eingebunden werden (z.B. durch Schulungen, Berichte, Beteiligung an Verbesserungen, etc.). Diese Führungskräfte sind dann auch die Multiplikatoren, die es benötigt, um Mitarbeiter aktiv in die kontinuierliche Verbesserung einzubinden. Diese brauchen einen Adressaten für ihre eigenen Verbesserungsvorschläge. Die Führungskräfte nehmen diese Vorschläge wertschätzend entgegen und tragen sie dann der Leitung vor, welche diese wiederum bewertet und priorisiert. Der Vorschlaggeber ist stets über den aktuellen Stand zu informieren (auch über Annahme und begründeter Ablehnung). Der Kommunikationsaufwand ist nicht zu unterschätzen und muss professionell koordiniert werden.
Unklare Zielsetzung
„…für die nötigen Verbesserungen sorgen…“ Aber welche sind nötig? Dies leitet sich aus der Unternehmensstrategie ab, denn diese sollte im Idealfall auch vorgeben, welche Detailziele ein einzelner Prozess verfolgt. Ein Beispiel: Im Rahmen einer Optimierung in einem Wissenschaftsverlag engagierten sich Teile der Führungsmannschaft, um den Redaktionsprozess zu optimieren. Aufgrund zahlreicher technischer und menschlicher Schnittstellen dauerte es drei ganze Workshop-Tage, bis die Netto-Bearbeitungszeit auf ein Minimum reduziert werden konnte. Im Rahmen einer Abschlusspräsentation vor dem Top-Management, zeigte sich der Vorstand von methodischen Vorgehensweise zur Eliminierung unnötige Zeitfresser zwar beeindruckt, stellte aber fest, dass die Konzeption eines neuen Redaktionsprozesses nicht die Unternehmensziele unterstützte. Es war aus Unternehmenssicht nicht die Bearbeitungszeit, die es zu optimieren galt, sondern vielmehr die Prozessqualität, denn das Unternehmens positioniert sich im Wissenschaftsbereich als Qualitätsanbieter, der nur wissenschaftlich fundierte Manuskripte, die zahlreichen Reviews unterzogen wurden, die mehreren orthografischen Prüfungen standhalten und weiterer Prüfkriterien genügen, veröffentlichen. Der Prozess musste also auf Qualität und nicht auf Zeit optimiert werden. Die Erkenntnis der Beteiligten war daher, dass jeder Prozess ein Ziel benötigt, damit er gut ‚gemanagt‘ werden kann.
Dies gilt jedoch nicht nur für den einzelnen Prozess, sondern auch für das Gesamtprozessmanagement. Es muss geklärt werden, welchen Beitrag zum Unternehmenserfolg durch das Prozessmanagement angestrebt wird. Arbeitsgrundlage sind daher immer die Vision und Ziele des Unternehmens. Daraus leiten sich dann Aufbau- und Ablauforganisation mit ihren jeweiligen Zielsetzungen ab (structure follows strategy). Ohne möglichst konkrete Zielsetzung, ist die Wahl der Maßnahmen eher zufällig. Klären Sie diese Ziele und schreiben Sie diese Ziele nieder!
Priorisierung
„…mit den Prozessen im Unternehmen beschäftigen…“ Mit welchen Prozessen soll man sich den genau beschäftigen? In der Regel laufen mehr Prozesse im Unternehmen als man gemeinhin glaubt. Im besten Fall sind einige identifiziert und vielleicht sogar dokumentiert, alle sind in der Regel jedoch nicht vollständig und widerspruchsfrei zusammengetragen. Wo fängt man nun an? Auch hier kommt wieder der Verweis auf die Unternehmensziele. Diese geben vor, welche Prozesse mit hoher Priorität zu betrachten sind. Bei einem Unternehmen, dass die Kostenführerschaft anstrebt, ergeben sich daher andere Prozessprioritäten als bei einem Qualitätsführer. Definieren Sie die Kriterien nach denen priorisiert werden soll. Eine Priorisierung nach Wertbeitrag ist sinnvoll und sollte durch die Unternehmensleitung gefordert werden.
Management Attention
„…weiterhin wirtschaftlich erfolgreich am Markt agieren…“ Wollen Sie wirklich die Zukunft ihres Unternehmens ausschließlich von Herrn Müller und seinem Prozessprojekt abhängig machen?
Der größte Hebel entfaltet sich, wenn man Prozessmanagement und damit einhergehende organisatorische Verbesserungen gar nicht sofort braucht. Die Praxis zeigt aber, dass Prozessinitiativen häufig umgesetzt werden, wenn entweder zu schnelles Wachstum stattgefunden hat und nun die Organisation nachgezogen werden soll, oder das Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, in denen nun interne Synergien und Potentiale gehoben werden sollen. In solchen Ausnahmesituationen erkennen viele Manager den Bedarf und schenken der Initiative hohe Aufmerksamkeit. Im ruhigem Fahrwasser „vergisst“ die Unternehmensleitung dann häufig die Möglichkeiten und entzieht dem Thema die Management Attention. Machen Sie diesen Fehler nicht. Prozessmanagement, oder allgemeiner und umfassender „Operational Excellence“, gehört täglich auf die Agenda des Top Managements. Das können Sie nicht leisten? Dann machen Sie Ihren Prozessmanager zum Teil des Top-Managements!
Schlechte Vorbereitung
„… er wird sich ein gutes Vorgehen überlegen.“ Auch das Vorgehen leitet sich aber aus den Zielen ab, die man verfolgt. Darüber hinaus ist erkennbar, dass das Unternehmen die Rahmenbedingungen noch nicht definiert oder gar weiterentwickelt hat, in denen solche Initiativen erfolgreich laufen können. Folgende Hypothesen stehen im Raum: 1. Die Ziele des Projektes sind nicht ausreichend festgelegt (siehe Anmerkungen oben), 2. Es sind keine Rollen und Kompetenzen definiert (Wer definiert das spezifische Vorgehen? Wer hat die nötigen Kompetenzen?), 3. Welche Metaprozesse können genutzt werden (beispielsweise für die Freigabe von Prozessdefinitionen oder die Freigabe nötiger Investitionen, 4. Welche ergänzenden Methoden (bspw. zur Prozessanalyse, zum Prozessdesign, zum Prozesscontrolling) werden verwendet und wer beherrscht diese?), 5.) Wie soll die Prozessdokumentation erfolgen? (Auf Papier wird das heute wohl keiner mehr machen, aber wie dann? Welche Software-Tools werden benötigt?)
All diese Faktoren sollten optimaler Weise VOR einem Verbesserungsprojekt bereits definiert bzw. diese Fragen sollten beantwortet sein, sonst werden die Beteiligten sich in Abstimmungen mit angrenzenden Bereichen zerreiben, ohne ihr Engagement nutzbringend in die eigentlichen Arbeitsergebnisse zu investieren.
Linienmanager sind keine Prozessmanager
„Er ist ein kompetenter Mann…“ im Bereich Finanzen, aber hat er auch die Fähigkeiten die es braucht ein guter Prozessmanager zu sein? Es bedarf hier ausgeprägter analytischer Fähigkeiten, aber auch visionärer Vorstellungskraft, Kenntnisse in grundlegenden Gestaltungsprinzipien im Prozessdesign und sowohl empathische Fähigkeiten im Zwischenmenschlichen wie auch technische Kompetenzen bei der Umsetzung von maschinellen Lösungen. Darüber hinaus ist er bestenfalls ein strategisch denkender Kopf. DEN Mitarbeiter zu finden, der all diese Fähigkeit in einer Person vereint, gestaltet sich immer als Herausforderung. Nur wenige können alle diese Fähigkeiten in sich vereinen. Ob Herr Müller nun der kompetente Mann für das Prozessmanagement, können wir nicht bewerten. Aber auf dieses besondere Anforderungsprofil hinweisen können wir an dieser Stelle.
Über die genannten Themen hinaus treten noch einige Themen auf, die den Aufbau des Prozessmanagements behindern bzw. erschweren. Diese sind:
Zu viel Tiefe, zu wenig Breite
In Abhängigkeit vom Selbstverständnis des Unternehmens bezogen auf die eigenen Mitarbeiter kann man in der Praxis erleben, dass Prozessdokumentationen manchmal einer atomaren Detailbeschreibung ähneln. Jede Fingerbewegung, jede Kopfdrehung (wir überzeichnen hier ein wenig) findet Eingang in ein Prozessmodell. Im Ergebnis entstehen „Modellmonster“, also Modelle, mit denen sich aufgrund ihrer Komplexität und Größe niemand mit beschäftigen möchte. Die Mitarbeiter kapitulieren. Es wird aber offenbar angenommen, dass jedes Detail dokumentiert werden muss, weil die ausführenden Mitarbeiter sonst nicht weiterwüssten. Das ist Unsinn! Es kann durchaus angenommen werden, dass Mitarbeiter bei Problemen im Prozess, die richtigen Maßnahmen ergreifen werden. Nichtsdestotrotz, die richtige Detailtiefe zu finden ist nicht einfach. Als Faustformel empfehlen wir: So viele Details wie nötig, so wenig wie möglich. Die Mitarbeiter werden schon deutlich machen, wie sie Verständnisprobleme haben werden. Bedarfsorientiert kann man dann immer noch Details zur Klärung ergänzen. In einem ersten Schritt scheint es empfehlenswert mit einfachen Prozessbeschreibungen zu arbeiten, die vielleicht etwas zu oberflächlich erscheinen, aber konsequent mit angrenzenden Prozessbereichen abgestimmt sind. Der Aufbau eines kohärenten Prozesssystems erscheint aus Gesamt-Unternehmenssicht viel wertvoller. Eine Detaillierung kann bedarfsorientiert bei auftretenden Problemen später immer noch erfolgen. Dies setzt jedoch ein entsprechendes Monitoring von Prozessproblemen voraus.
Zu viel Breite, zu wenig Tiefe
Zu beobachten ist auch das andere Extrem. Es wird der Wunsch geäußert, dass alle Prozesse im Unternehmen aufgenommen und dokumentiert werden sollen. Aufgrund der Menge der Prozesse muss sich der Verantwortliche aber beschränken. Insbesondere Initiativen, die eine Zertifizierung nach ISO XY anstreben neigen dazu, viele oberflächliche Modelle zu erzeugen. Diese haben jedoch häufig keinen Bezug zur gelebten Praxis und gehen daher nicht auf die Details ein (und sind folglich kein Hilfsmittel für die Mitarbeiter). Hier ist punktuell der Prozessmanager verpflichtet, bei Prozessen die Probleme bereiten, auch mal in die Tiefe einzusteigen, wenn gelten soll, dass Prozessmanagement nicht nur Dokumentation zum Zwecke einer Zertifizierung bedeutet, sondern dass auch ernsthafte Verbesserungen herbeigeführt werden sollen.
Die Sache mit den Nerds
Und dann ist da noch das Thema Business-IT-Alignment! Wie kann es gelingen, dass die IT kein Parallelleben führt und ihr Wissen und ihre Erfahrung in die Weiterentwicklung von Prozessen einbringt. Nun, einfach ist es nicht, aber ein Ansatz könnte beispielsweise sein, basierend auf einer gemeinsamen Modellierungssprache wie BPMN den fachlichen und technischen Austausch zu fördern. Es macht durchaus Sinn, die IT nicht nur als Erfüllungsgehilfen zu sehen, sondern die IT einzuladen, gemeinsam am Geschäftsmodell mitzuentwickeln. Dies ist häufig eine neue und ungewohnte Rolle, aber mit ein bisschen Übung bringen die Nerds Ideen ein, wie man schneller, besser, einfacher, günstiger Prozesse umsetzen kann, um das Geschäftsmodell zu unterstützen. Daher muss sich natürlich die Zusammenarbeit zwischen Fachbereich und IT-Abteilung verändern. Wir sollten uns verabschieden von phasenorientierten Entwicklungsprojekten, bei denen nach Monaten eine technische Lösung präsentiert wird, die man vor Monaten gebraucht hätte, heute aber der geänderten Marktanforderung nicht mehr gerecht wird. Es bedarf hier einer agileren Zusammenarbeit, die durchaus auch Trial-and-Error erträgt. Besinnen Sie sich hier auf die Anfänge Ihres Unternehmens. Am Anfang wurde auch erstmal ausprobiert und dann nachgebessert. Nehmen Sie eine ähnliche Haltung bei Ihren Prozessen ein.
Die oben genannten Themen treffen wir immer wieder bei unseren Kunden an. Mal stärker ausgeprägt, mal weniger. Aber immer führen diese Themen dazu, dass Prozessmanagement-Initiativen ins Stottern geraten und nicht die gewünschte Strahlkraft entfalten können. Wir hoffen, hiermit ein paar Hinweise an die Verantwortlichen gegeben zu haben. MINAUTICS berät Sie gerne dabei, wie Sie darüber hinaus erfolgreich Prozessmanagement in Ihrem Unternehmen umsetzen!