Was ist Maverick Processing?
Maverick Processing ist die Bearbeitung eines Vorgangs außerhalb der standardisierten Prozesse. Maverick Processing ist ein Begriff aus dem Organisationsmanagement. Der Begriff ist angelehnt an das Maverick Buying aus dem Bereich Beschaffungswesen: Maverick Buying ist der eigenmächtige Einkauf ohne Einbezug der standardisierten Beschaffungswege. Analog dazu liegt Maverick Processing vor, wenn Angehörige einer Organisation Vorgänge bearbeiten, ohne die vorgegebenen Prozessabläufe einzuhalten.
Wie kann ich Maverick Processing erkennen?
Zum Beispiel liegen Rechnungen vor, für die keine Bestellung durch den Einkauf getätigt worden ist. Oder Lagerbestände steigen, ohne dass zuvor Warenzubuchungen erfolgt sind.
Und generell: Wenn Informationen im Prozessablauf fehlen, deutet das auf Maverick Processing hin.
Wie kommt es zum Maverick Processing?
Die Bearbeitung außerhalb der vorgegebenen Prozesse lässt sich in Regel auf mehrere der nachfolgenden Gründe zurückführen.
Nichtwissen der Beteiligten
Der Vorgangsbearbeiter kennt die geltenden prozessualen Vorgaben schlichtweg nicht. Eine mangelhafte Lenkung von Dokumenten, ein schlechter und nicht kommunizierter Aufgabenzuschnitt, schlechtes Change Configuration oder Process Configuration Management oder auch eine schlechte Einarbeitung beim Mitarbeitereintritt oder Stellenwechsel können hierfür Gründe sein.
Nicht-Führung
Abweichungen vom definierten Prozessablauf werden seitens der funktionalen Verantwortungsträger sowie der Führungskräfte billigend in Kauf genommen. Dadurch wird es schleichend zum Teil der Unternehmenskultur, dass Maverick Processing geduldet wird – mit entsprechenden Konsequenzen für das Prozessmanagement in der Organisation.
Silo-Denken
Übergreifende Ende-zu-Ende-Prozesse sind stets im Hinblick auf die Ziele der Gesamtorganisation zu gestalten. Jedoch verstärkt die Gliederung einer Organisation in Abteilungen, Divisionen und Bereiche (gar einhergehend mit Profit-Center-Betrachtungsweisen) das Streben nach lokaler Autarkie. Diese begründet oft ein In-Frage-Stellen übergreifender Prozesse. Es kommt zu einem Silo-Denken.
Schlechte Zielarchitektur
Im Prozess involvierte Bereiche müssen die gleichen Ziele anstreben. Gibt es hier Abweichungen untereinander, kann die Prozessgestaltung nicht mehr auf die gemeinsamen Ziele einzahlen. Die Zielkonflikte führen zum Abweichen vom Standardprozess, also zu Maverick Processing. Beispielszenario: Der Fertigungsbereich verfolgt Kosten- und Qualitätsziele, der Vertrieb jedoch Kosten- und Geschwindigkeitsziele. Um das Geschwindigkeitsziel erreichen zu können, verkauft der Vertrieb substituierende Handelsware anstelle von eigenen Produkten.
Schlechte Prozesse
Der standardisierte Prozess, von dem abgewichen wird, ist vor geraumer Zeit entstanden und trägt bürokratische Altlasten in sich. Unternehmensfusionen, völlig neue Marktbedingungen, Re-Organisationen etc. haben nicht dazu geführt, dass man Prozesse »neu denkt«. Im Gegenteil: »Weil wir es immer schon so gemacht haben«, werden alte Muster und damit administrative Hürden fortgeführt.
Keine Prozess-Definition
Es kann auch vorkommen, dass gar kein standardisierter Prozess existiert. Das Geschäft entwickelt sich und bestimmte Abläufe müssen aufgrund steigender Nachfrage häufiger wiederholt werden. Eine Standardisierung des Ablaufs und dessen verbindliche Vorgabe ist bisher jedoch nicht erfolgt.[/vc_column_text][vc_column_text]
Was resultiert aus Maverick Processing?
Die Folgen von Maverick Processing sind vielfältig:
Finanzielle Folgen
- Kosten steigen: Werkzeuge und Arbeitsweisen werden beim Maverick Processing selbst erzeugt, Skaleneffekte werden nicht genutzt.
- Doppelarbeiten finden statt. Aus Unkenntnis laufen der richtige und der falsche Prozess parallel.
- Nacharbeiten finden statt (nachträgliches Ausbessern des Maverick Processings).
Qualitative Folgen
- Die Prozessqualität sinkt: Handgriffe sind ungeübt, Mechanismen zur Qualitätssicherung werden umgangen, Lernkurveneffekte bleiben ungenutzt.
- Kunden bemängeln die Ergebnisqualität.
Rechtliche Folgen
- Revisionsgrundlagen fehlen
- Compliance-Vorgaben werden umgangen
Kulturelle Folgen
- Regeln werden entwertet, da per Maverick Processing eine Umgehung möglich wird.
- Führungskräfte müssen auf Grund von Maverick Processing Einzelfälle prüfen und werden so mehr als notwendig ins Tagesgeschäft reingezogen.
- Es entsteht Misstrauen.
Was kann man gegen Maverick-Processing tun?
Informieren: Kommunikation im Vorfeld
Alle Mitarbeiter müssen die Prozessstandards kennen. Stellen Sie sicher, dass bereits bei der Einarbeitung und auch an anderer Stelle immer wieder Prozessstandards vorgestellt werden.
Prozessstandards dürfen keine Empfehlung sein, sondern sie müssen als verbindlich erklärt werden. Im besten Fall kommuniziert die Leitungsebene, warum der Standard existiert, wie er entstanden ist und warum die Einhaltung wichtig ist. Das unterstreicht nochmal die Verbindlichkeit des Prozesses.
Prüfen
Technisch können Prozessdurchführungen überwacht werden. Eine vollumfängliche Analyse ist sicher nicht möglich, aber Methoden wie das Process Mining können Anhaltspunkte bieten (im Sinne einer technischen internen Revision: Process Conformity Checks). Aber auch ohne Software können internen Audits helfen, Abweichungen von Prozessstandards zu erkennen und ggf. Maßnahmen zu ergreifen. Auf diese Maßnahmen zu verzichten, ist nicht empfehlenswert.
Korrigieren
Fehlende Maßnahmen haben schnell einen Einfluss auf die Prozesskultur. Daher sind Führungskräfte angehalten, vorbildlich zu agieren und jedweden Verstoß korrigieren zu lassen und ihn ggf. zu ahnden.
BPM und Maverick Processing
Aus Sicht des Geschäftsprozessmanagements (BPM) stellt sich Maverick Processing als großes Problem dar. Neben den dargestellten finanziellen, qualitativen und rechtlichen Folgen hat Maverick Processing großen Einfluss auf die Unternehmenskultur. In der Konsequenz verliert das Unternehmensprozessmanagement Wirkung und alle Anstrengungen, mit effizienten Prozessen zur Erreichung der Unternehmensziele beizutragen, waren vergebens.