NewsKI im Prozessmanagement: Chancen, Realität und Grenzen

14. Juli 2025by Norman Koss
Lesedauer 4 Min
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Künstliche Intelligenz (KI) gilt – auch im Juli 2025 – als einer der stärksten Treiber digitaler Transformation – und hat längst das Feld des Geschäftsprozessmanagements (BPM) erreicht. Von intelligenten Workflows über automatisierte Entscheidungsprozesse bis hin zu Process Mining in Echtzeit: KI erweitert den Werkzeugkasten von Organisationen massiv. Doch wo stehen wir wirklich? Welche Rolle spielen Datenschutz, No-Code/Low-Code-Plattformen oder Standards wie BPMN 2.0? Und wo liegen Risiken, die aktuell noch zu oft ausgeblendet werden?

Status Quo: Vom Modell zur Intelligenz

Das klassische Prozessmanagement – modellieren, automatisieren, messen, optimieren – stößt in datengetriebenen, dynamischen Umgebungen an seine Grenzen. KI setzt hier an, indem sie nicht nur abbildet, sondern mitlernt, prognostiziert und (teil-)entscheidet.

Studien zeigen, dass bereits über ein Drittel der deutschen Unternehmen KI-Elemente in Prozessautomatisierungen einsetzt (Bitkom 2024). Besonders verbreitet ist der Einsatz in:

  • Process Mining & Predictive Analytics
  • Dokumenten- und Texterkennung (OCR, NLP)
  • Automatisierte Workflows und Entscheidungsunterstützung
  • Conversational Interfaces (Chatbots, virtuelle Assistenten)

 

No-Code / Low-Code + KI: Demokratisierung der Prozessdigitalisierung

Ein starkes Bindeglied zwischen KI und Prozessmanagement sind Low-Code- und No-Code-Plattformen wie (nicht abschließend):

  • Microsoft Power Platform
  • Make (Integromat), n8n
  • Appian, OutSystems
  • Camunda 8, Flowable, TIM Solutions, Operaton, ….
  • SAP Build Process Automation

Diese Tools ermöglichen Fachabteilungen, eigene Prozesse zu modellieren und zu automatisieren – häufig durch Drag-and-Drop, deklarative Logik und vorkonfigurierte KI-Module (z. B. Texterkennung, Sentimentanalyse, Decision Trees). KI wird damit nicht nur zum Spezialistenthema, sondern Teil des Alltagsgeschäfts.

Chancen:

  • Reduktion von IT-Abhängigkeit
  • Schnelle Iteration und Testing von Prozessideen
  • Einbindung von Citizen Developers
  • Integration von KI ohne tiefes ML-Wissen

 

BPMN 2.0: Der Ordnungsrahmen für hybride Prozesse

Trotz (oder gerade wegen) wachsender KI-Nutzung gewinnt BPMN 2.0 als Standard zur Prozessmodellierung neue Bedeutung. Warum?

  • Struktur & Nachvollziehbarkeit: KI-gestützte Prozesse bleiben nur steuerbar, wenn ihre Logik visuell und standardisiert dokumentiert ist.
  • Integration von Decision Modeling: Kombiniert mit DMN (Decision Model and Notation) lassen sich automatisierte und KI-gestützte Entscheidungen strukturiert einbinden.
  • Human-in-the-Loop: BPMN erlaubt explizite Modellierung von Mensch-Maschine-Interaktionen (Tasks, Gateways, Events) – essenziell bei kritischen Entscheidungen.

BPMN 2.0 wird somit zur Brücke zwischen strukturierter Prozesswelt und KI-basierter Dynamik.

 

Datenschutz: Zwischen Regulierung, Realität und Illusion

KI in Prozessen funktioniert nicht ohne Daten – und genau hier liegt eine der größten Herausforderungen: Datenschutz und ethische Datenverwendung. Gerade im Zusammenspiel mit personalbezogenen Prozessen ist höchste Sorgfalt geboten.

Typische Herausforderungen:

  1. Intransparente Datenverarbeitung (Black Box)
    Viele KI-Modelle lassen sich nicht ohne Weiteres erklären – was gegen das Transparenzgebot der DSGVO (Art. 5, 13) verstößt.
  2. Fehlende Zweckbindung
    KI-Systeme neigen dazu, Daten für vielfältige Analysen weiterzuverwenden. Die DSGVO verlangt jedoch, dass Daten nur für festgelegte, eindeutige Zwecke verwendet werden.
  3. Datensparsamkeit vs. Datenhunger
    Während KI auf große Datenmengen angewiesen ist, fordert die DSGVO die Erhebung nur der unbedingt nötigen Daten (Art. 5 Abs. 1 lit. c).
  4. Automatisierte Entscheidungen ohne menschliche Kontrolle
    Artikel 22 DSGVO untersagt vollautomatisierte Entscheidungen mit rechtlicher Wirkung für Betroffene, etwa bei Kreditvergabe oder Kündigungen – es sei denn, es bestehen geeignete Schutzmaßnahmen.
  5. Unzureichende Anonymisierung und Re-Identifizierbarkeit
    Selbst „anonymisierte“ Daten können durch Querverbindungen wieder identifizierbar werden – ein unterschätztes Risiko bei Prozessanalysen.
  6. Fehlende Datenschutz-Folgenabschätzungen (DSFA)
    Viele Unternehmen führen keine oder unzureichende DSFA durch, obwohl sie bei hohem Risiko für Betroffene gesetzlich vorgeschrieben ist (Art. 35 DSGVO).

Illusionen im KI-Hype:

Illusion Realität
„KI ist DSGVO-konform, wenn sie aus der Cloud kommt.“ Die Verantwortung bleibt beim datenverarbeitenden Unternehmen.
„Wenn wir Daten anonymisieren, sind wir safe.“ Anonymisierung ist schwer – und oft nur scheinbar effektiv.
„KI entscheidet objektiv.“ KI übernimmt Vorurteile aus den Trainingsdaten – Bias bleibt ein reales Problem.
„Unsere Mitarbeitenden verstehen die KI schon.“ Ohne Schulung bleibt KI eine Black Box und erzeugt Misstrauen.

Was hilft?

  • Transparenzpflichten erfüllen
  • Datenschutz-Folgenabschätzungen frühzeitig einplanen
  • KI-Erklärbarkeit fördern („Explainable AI“)
  • „Human-in-the-Loop“-Konzepte etablieren
  • EU AI Act beachten – der 2025 in Kraft tritt und strenge Regeln für Hochrisiko-KI-Systeme bringt (z. B. in HR, Banking, Gesundheitswesen)

Grenzen und kritischer Ausblick

So vielversprechend KI im Prozessmanagement ist – nicht jeder Prozess ist KI-tauglich, und nicht jede Automatisierung sinnvoll.

Grenzen:

  • Komplexe kreative Tätigkeiten (z. B. Strategieentwicklung)
  • Datenarme Prozesse ohne belastbare Historie
  • Ethisch sensible Entscheidungen (z. B. Sozialleistungen, Kündigungen)
  • Verantwortlichkeit: Wer haftet bei Fehlern einer KI im Prozess?

Fazit:
KI sollte Prozesse nicht ersetzen, sondern ergänzen. Der Mensch bleibt Gestalter, Interpret und Korrektiv – besonders in Ausnahmesituationen, bei Widersprüchen oder ethischen Dilemmata.

 

Fazit: Prozessmanagement neu denken – aber nicht blind

KI verändert das Prozessmanagement radikal – hin zu einer lernenden, adaptiven, automatisierten Prozesswelt. Doch die wahren Fortschritte liegen nicht in Technologie allein, sondern im verantwortungsvollen Umgang damit:

  • Wer KI mit BPMN 2.0 kombiniert, schafft Struktur statt Chaos.
  • Wer Low-Code-Plattformen nutzt, befähigt Fachabteilungen zur Mitgestaltung.
  • Wer Datenschutz und Ethik ernst nimmt, schafft Vertrauen und Nachhaltigkeit.

Am Ende ist KI kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug – und wie bei jedem Werkzeug kommt es darauf an, wie wir es einsetzen.

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Quellen und weiterführende Literatur

  • Bitkom e.V. (2024): Künstliche Intelligenz in der deutschen Wirtschaft bitkom.org
  • Gartner (2023): Top Trends in Business Process Management gartner.com
  • EU-Kommission (2024): EU AI Act – Final Draft
  • BfDI: KI und Datenschutz – Was Unternehmen beachten müssen – bfdi.bund.de
  • van der Aalst, W. (2021): Process Mining – Data Science in Action
  • Dumas, M. et al. (2018): Fundamentals of Business Process Management

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Norman Koss

Als leidenschaftlicher und begeisterungsfähiger Prozessexperte habe ich auf operativer und strategischer Ebene umfangreiche Erfahrungen in nahezu allen Aspekten des Prozessmanagements entlang des Business Process Management Zyklus (BPM-Zyklus). Angefangen von der Prozesserhebung und Modellierung, über die Prozessanalyse bis hin zur Konzeption und Gestaltung verbesserter und vollständig neuer digitalisierter Prozesse konnte ich bereits zahlreiche Erfahrungen sammeln. Einen klaren Fokus lege ich dabei immer auf die strategische und zielorientierte Verankerung der unternehmensspezifischen Initiativen des Prozessmanagements, um den Wertbeitrag des Prozessmanagements spürbar, nachhaltig und ganzheitlich zum Erfolg bringen zu können.

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